AUS LIEBE & LEIDENSCHAFT

Löwenzahn & Pusteblume

An so einem Tag wie diesem müssen wir kurz innehalten, um uns die Zeit zu nehmen stolz zu sein, uns zu freuen, uns zu umarmen und um auf den Weg zurück zu blicken, den wir zurückgelegt haben. Wir sind Neulandgewinnerinen der Robert-Bosch-Stiftung!!!

Das Land Sachsen-Anhalt hat für uns votiert und uns zum Neulandgewinner des Landes gemacht. DANKE! DANKE für das Vertrauen und den Glauben, der uns damit entgegengebracht wird. Gerührt, aufgeregt, glücklich, überaus lustig, stolz und mit offenen Augen ging es aus der Provinz in die Hauptstadt zur Präsentation unseres Projekts mit dem Sinnbild eines Löwenzahns. … Nun … was hat der Löwenzahn denn mit unserem Projekt zu tun?

Der zu Unrecht von den meisten Gärtnern als Unkraut verpönte Löwenzahn ist ein besonders hartnäckiges, tief verwurzeltes und unverwüstliches Kraut. Es wächst aus der kleinsten Ritze im Asphalt und trotzt dort selbst der größten Sommerhitze. Löwenzahn hilft bei Problemen mit der Verdauung. Die Blätter im Salat sind köstlich. Ebenso der aus den Blüten gewonnene Honig. Und in Notzeiten haben die Leute aus der Löwenzahnwurzel so etwas wie Kaffee gebraut. Eine vielfältige Pflanze. Sticht man ihn nicht aus, geschieht am Ende eine immer wieder faszinierende Verwandlung. Die Blume erhält ein ganz neues Aussehen. Aus dem Löwenzahn wird eine Pusteblume. Eine Pflanze voller Leichtigkeit, voller Bereitschaft für die nächste Wandlung. Ein Windhauch und die Schirmchen fliegen tanzend in die Luft, verlassen ihren bekannten Standort und machen sich auf, neu zu beginnen und sich zu verbreiten und wieder Wurzeln zu schlagen.

Ballenstedt gleicht im übertragenen Sinne dem gewöhnlichen Umgang mit Löwenzahn als Unkraut: Der durchschnittliche Ballenstedter meckert gern, fordert von anderen aktives Tun, während er selbst gern in einer Passivhaltung verweilt. Ideen von anderen entlocken ihm ein „ja, aber“… Der Löwenzahn wird „ausgestochen“, „rausgerupft“ oder „vergiftet“ – kaum jemand weiß um seine vielfältigen und guten Eigenschaften –  und so kann er sich nicht zur Pusteblume entwickeln, Löwenzahn- und Pusteblumenwiesen werden immer seltener. Diese Haltung hat gefährliche Auswirkungen auf unsere Zukunft, die unserer Kinder und unserer ländlichen Region. Zudem entstehen Lücken: Lücken durch Abwanderung, Lücken in schulischen und außerschulischen Lernorten. Es fehlt immer mehr an Interaktion, Kommunikation, Visionen und Gestaltungskraft.

Wir wünschen uns ein Ballenstedt, das beides ist: Löwenzahn und Pusteblume. Einen Ort, der tiefe und feste Wurzeln hat und der sich seiner Standfestigkeit und Begabungen bewusst ist. Einen Ort, der bereit ist, sich immer wieder zu wandeln. Einen Ort, der es schafft, seine Ideen und Visionen zu verbreiten und damit immer wieder Wurzeln zu schlagen. Diesen Wunsch wollen wir in die Realität umsetzen: Mit dem Projekt heimatLABOR wollen wir einen Ort in Ballenstedt schaffen, der sich unter einem stark partizipativen Ansatz zum Zentrum von Gemeinschaft, Projekten, Ideen und Kreativität entwickelt. Wie wollen wir das erreichen?

Durch den Aufbau von Infrastruktur: Wir bauen einen alten Gutshof im Herzen von Ballenstedts Altstadt zum heimatHOF auf. Hier schaffen wir für das heimatLABOR räumliche und digitale Infrastruktur, damit Projekte, Ideen und unterschiedlichste Akteure ihre Wirkungsstätten finden können. Der Löwenzahn soll hier Wurzeln schlagen können.

Durch den Aufbau von Kommunikationsstrukturen: Verloren gegangener Dialog, Interaktion, ein proaktives Verhalten und individuelle sowie gemeinschaftliche Entfaltungen können nicht über Nacht neu entstehen. Hier sind langjährig und kontinuierlich gute Ideen, viel Engagement, viele Gespräche und damit einhergehende gute Erfahrungen notwendig.

Durch eine nachhaltige Veränderung unseres eigenen Selbstverständnisses, unserer inneren Haltung und unseres Miteinanders: Wir erachten es als selbstverständlich, uns durch Selbstorganisation und im Rahmen unserer Möglichkeiten und Kompetenzen, mit unserem Engagement an der Gestaltung unserer Heimat zu beteiligen. Neugierig und veränderungswillig hinterfragen wir die Dinge, bringen eigene kreative Lösungsvorschläge ein und sehen vermeintliche Stolpersteine als Herausforderung und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Begegnungsfelder und Kommunikationsstrukturen, die wir aufbauen wollen, sind vielfältig: Auf dem Hof finden bereits jetzt niederschwellige Aktionen statt. Jeden Monat finden Hoftage, Zaungespräche oder Mitmachwerkstätten statt, die einen einfachen Zugang bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das wollen wir intensivieren. Wir bauen Netzwerke auf, denn wir wollen nicht alles neu denken, sondern Bestehendes verknüpfen. Und dort, wo es Lücken gibt, gemeinsame Projekte entwickeln und umsetzen. Hier braucht es eine enge Zusammenarbeit mit den zahlreichen Akteuren in Ballenstedt.

Wofür wir das Programm „Neulandgewinner. Zukunft erfinden vor Ort“ brauchen? Der Aufbau von funktionierenden Kommunikationsstrukturen, die Koordination der Projekte sowie die umfangreiche Netzwerkarbeit lassen sich nicht nebenbei oder nach Feierabend erledigen. Somit benötigen wir den Löwenanteil der Förderung für eine/n ProjektkoordinatiorIn. Weitere Gelder werden für die Ausstattung eines Büros auf dem heimatHOF sowie für Seminar- und Veranstaltungsmaterialien benötigt. Das begleitende Mentorenprogramm wird uns dabei unterstützen, selbst zu wachsen, uns zu reflektieren und mit sicher eintretenden Stolpersteinen gut umzugehen. Die Förderung ist für uns ein erster Windhauch, damit unsere Pusteblumenschirmchen fliegen können.

Denn … stellen Sie sich vor,
Ballenstedt ist wunderbar und Sie sind schuld daran!

Zum Programm „Neulandgewinner. Zukunft erfinden vor Ort“

Mit dem Programm fördert die Robert-Bosch-Stiftung eigenverantwortliches Handeln und bürgerschaftliches Engagement als wichtigen Faktor für die Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität von Kommunen und Regionen besonders im ländlichen Raum. Wo Wandel ist, entstehen neue Freiräume, die wir – die Menschen hinter heimatBEWEGEN – mit Kreativität und Umsetzungswillen füllen wollen. Wir wollen Ideen entwickeln und umsetzen, neue Wege ausprobieren, durch gemeinsames Tun wachsen und eine ganz besondere Strahlkraft für unseren Ort und die Region entwickelt. Wir wollen gemeinsam neue Wege erschließen, alte Denkmuster aufbrechen, die Menschen aus ihren gewohnten Strukturen herausholen und die Welt auf den Kopf stellt.

Freunde, Förderer, Netzwerk & Kooperationen

Neulandgewinner. Zukunft erfinden vor Ort.
Robert Bosch Stiftung
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt